Vor zwei Jahren wurden neun Hess*innen von einem Rassisten ermordet. Der Täter hat mit dieser Tat unermessliches Leid über viele Menschen gebracht. Dieses Leid, die Wut und Trauer stecken nach zwei Jahren nach wie vor tief in unseren Seelen – bei den Freund*innen, den Überlebenden, den Hanauer*innen, den Hess*innen bis hin zu ganz vielen Menschen in der gesamten Republik, aber allem voran bei den Angehörigen der Opfer. Als Mitglied des Untersuchungsausschusses „Hanau“ konnte ich genau dieses Leid der Angehörigen in deren Schilderungen im Hessischen Landtag sehr gut spüren und nachvollziehen. Deren Schilderungen im Ausschuss haben berührt, bewegt und zutiefst erschüttert. Die Angehörigen haben auch selbst deutlich gemacht, dass kein Gut der Welt ihren Verlust je wiedergutmachen kann – auch ein Untersuchungsausschuss kann das nicht. Er kann jedoch einen Beitrag dazu leisten, den Schmerz der Hinterbliebenen zu lindern. Wir haben im Untersuchungsausschuss in den vergangenen Wochen den Raum als Erstes den Angehörigen gegeben. So haben wir sowohl unsere Fragen von ihnen beantworten lassen, als auch ihre Anliegen und ihre offenen und berechtigten Fragen als Auftrag, ihren Beobachtungen nachzugehen und ihre Anregungen aufzugreifen, aufgenommen. Das war wichtig, das war richtig! Nun gilt es mit unserer Arbeit als Untersuchungsausschuss den Angehörigen der Opfer durch gründliche und gewissenhafte Aufklärungsarbeit Respekt und Ehre zu erweisen.
In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau habe ich mal gesagt, dass „es höchst problematisch für eine Demokratie ist, wenn Minderheiten in Angst leben (müssen)“. Dieser Zustand war und ist weiterhin für uns nicht hinnehmbar! Durch die Bearbeitung der offenen Fragen, kann erschüttertes Vertrauen in den Staat und seine Institutionen zurückgewonnen werden. Wenn aus den Antworten auch Schlussfolgerungen gezogen werden, können künftig Fehler vermieden werden.
Am morgigen Tag gedenken wir den Opfern von Hanau und sollten darüber hinaus uns immer wieder vor Augen halten, welchen Schaden Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Antiziganismus und andere Formen gruppenspezifischer Menschenfeindlichkeit oder allgemein Hass und Hetze bei den betroffenen Menschen und unserer Gesellschaft als Ganzes anrichten.
Ich persönlich werde meine Erlebnisse in Hanau, einige Stunden nach den furchtbaren Morden, niemals vergessen. Das Leid der Menschen, die offenen Fragen und die Angst – aber auch die ganz große Anteilnahme, Geschlossenheit und Solidarität der großen Mehrheit der Bevölkerung – haben sich tief eingeprägt. Ganz besonders eingeprägt hat sich ein Satz von der Mutter eines Ermordeten (Serpil Unvar): „Tut alles, damit das, was meinem Sohn passiert ist, keinen anderen Jugendlichen mehr passiert und keine weitere Mutter mehr diesen Schmerz ertragen muss!“ Dieser Auftrag war an uns alle gerichtet: von der Politik, den Sicherheitsbehörden und staatlichen Institutionen angefangen bis hin zu den kleinsten Vereinen und den Stammtischen. Anders lassen sich rechtsextremistische und rassistische Anschläge nicht verhindern.
„Tot sind wir erst, wenn man uns vergisst“, schrieb Ferhat Unvar vor seinem Tod in eines seiner Gedichte.
In diesem Sinne, sollen sie niemals in Vergessenheit geraten: in Gedenken an Mercedes Kierpacz, Gökhan Gültekin, Ferhat Unvar, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz, Vili Viorel Păun, Kaloyan Velkov, Hamza Kurtović und Said Nesar Hashemi.